Yoga - die Einheit von Allem

Es beschäftigt mich schon seit einiger Zeit, über Yoga zu schreiben.
Yoga selbst begleitet mich nun seit einem guten Jahrzehnt.

Wie es für mich angefangen hat…

Rishikesh

2013 begann für mich ein intensives Eintauchen in Yoga.
Damals war ich in Indien unterwegs und das Leben in Form von Hinweisen durch andere Menschen führte mich zu einem Ashram in Ram Jhula.
Einem geschäftigen, wunderschön lebendigen Ort mit Musik, Geschäften, Düften und Aromen, Teil der Stadt Rishikesh.
Rishikesh liegt am Fluss Ganges. 
Es ist die Stadt, in der sich das berüchtigte Beatles-Ashram befindet, und wohin hinduistische Pilger reisen, um zu beten und ihre Hingabe an die Götter zu zeigen. Rishikesh ist auch eine rein vegetarische Stadt.
Es gab also KEIN Fleisch. Auch die Hunde mussten mit vegetarischen Mahlzeiten auskommen, es sei denn, sie erwischten eine Maus, einen Vogel oder ähnliches. Rishikesh liegt am Rande des Himalaya-Gebirges und wird daher auch „das Tor zum Himalaya“ genannt.
Der Ganges ist hier tatsächlich sehr sauber, da er erst ca. 250 km jung ist.
Also ja, man kann das Wasser sogar trinken (ich habe es nach der Regenzeit getan, also war das Wasser sehr klar).

Yoga in Rishikesh am Ganges mit Hund
In Rishikesh am Ufer des Ganges

Ich blieb zwei Wochen im Ashram, machte fast jeden Morgen und Abend die Yoga-Stunden für 6 Tage die Woche mit .
Dann reiste ich weiter, um mehr durch Nordindien zu reisen, weil der Winter nahte und ich Kaschmir und Ladakh sehen wollte.
Nach dieser kurzen Reise in den Norden zog es mich zurück nach Rishikesh.
Ich hatte dort schon einige nette Leute kennengelernt und wollte mehr Zeit verbringen.
Also setzte ich meine Yogareise im Ashram mit den dortigen, sehr disziplinierten Yogis, die die Morgen- und Abendkurse unterrichteten, fort. 
Wenn man eine Minute zu spät zum Unterricht kam, war die Tür bereits verschlossen und man wurde aufgefordert, zu gehen.
Zur nächsten Stunde kam man dann wieder rein :D.
Dies waren welche der diszipliniertesten Stunden, die ich je erlebt habe.
Obwohl es Oktober war, war es immer noch ziemlich heiß und aufgrund der indischen Bräuche mussten wir lange Hosen tragen und unsere Schultern bedeckt halten.
Es gab also keine Yogapraxis in kurzen Shorts 😀 Schweiß und ein zitternder Körper waren auch immer dabei.
Der Unterricht war im Hatha-Stil, so dass jede Haltung oft eine ganze Weile gehalten wurde und die Haltungen herausfordernd waren!

Ich habe in dieser Zeit viel Kraft gewonnen und mein Körper wurde im Vergleich zu früher sehr flexibel. Es ist erwähnenswert, dass ich ein sehr untrainiertes Kind war.
Ich mochte Sportunterricht in der Schule normalerweise nicht und hatte den Spitznamen „Bewegungsspasti“, weil ich mit meinem Körper ziemlich ungeschickt war.
Diese zwei Monate intensiver Yoga-Praxis in Rishikesh öffneten meinen Körper und Geist für eine neue Art des Seins.
Ich habe den Kopfstand gelernt und gemerkt, dass ich und mein Körper so viel mehr können, als mir herkömmliche Schulen und Sportvereine bisher zugetraut hatten.

Die Verbindung zwischen allen Dingen

Ich habe auch sehr deutlich gelernt, dass diese „Körper-Geist“-Verbindung nicht nur Gerede ist, sondern tatsächlich real.
Durch diese vielen Stunden schweißtreibenden und intensiven Übens, die meinen Geist (Fokus) tiefer in meinen Körper schoben, erfuhr ich die Prägung von Gedanken und Emotionen in meinem Körpergewebe.
Dass jede Erfahrung, die ich je gemacht habe, jedes Gefühl, das ich habe, und jeder Gedanke, den ich habe, irgendwo gefühlt wird.
Eine spürbare Prägung in der Gesamtheit des Körpers hat.
Diese Yoga-Erfahrung hat mir auch Gefühlserlebnisse beschert, die ich bisher nur von der Einnahme von Substanzen kannte.

Yoga bestätigte, was ich erlebt hatte

Yoga-Wassertropfen

An manchen Morgen schaffte ich es, für den frühen Philosophie- und Mediationsunterricht, der von 6 bis 9 Uhr morgens dauerte, aus dem Bett zu steigen.
Dort lernte ich, dass das Wort Yoga „vereinen“, „zusammenbringen“ bedeutet… Und BÄM! Auf einmal ergaben viele Dinge, die ich in meinem bisherigen Leben erlebt hatte, einen Sinn.
Ich hatte erlebt, wie sich meine innere Welt in meiner äußeren widerspiegelte.
Ich hatte erlebt, wie alles miteinander verbunden zu sein schien.
Ich hatte erfahren, wie mein Geist und mein Körper tatsächlich eins waren.
Und Yoga – die Praxis, Philosophie und das Studium davon bestätigten es und helfen mir weiterhin, diese Verbindung aller Dinge immer klarer zu sehen, zu fühlen und zu erfahren.
Es gibt die individuelle Seele und die universelle Seele, die im Wesentlichen eins sind, weil die eine der anderen entspringt und schließlich in sie zurückkehrt.

Wir sind immer verbunden. Es geht schlichtweg darum, uns auf diese Verbindung einzustimmen – Yoga kann uns dabei helfen

Hier kommen Yoga-Praktiken (Asana, Pranayama, Yama, Niyama, Konzentration, Kontemplation und bewusster Gebrauch der Sinne (aka Sinnlichkeit)) so gut ins Spiel ♡ Vielleicht stimmen mir nicht alle Yogis in Bezug auf die Sinnlichkeit zu, aber Tantra hat mich das gelehrt, und Tantra, so wird es gelehrt, soll Yoga hervorgebracht haben – dazu später mehr.
Ich bin unendlich dankbar für die Praxis und die Weisheit, die durch die Linie des Yoga weitergegeben wird.
Es hat und wird mein Leben tief beeinflussen.
Heutzutage sagen mir die Leute immer wieder, wie entspannt und doch effizient ich bin.
Ich denke dann jedes Mal oder sage manchmal: „Das ist das Yoga und die Meditation.“
So zieht es mich immer wieder in die Asana-Praxis des Yoga.
Ich merke, wie sehr es mir bei einer guten Verdauung, mit meinem empfindlichen Rücken, einem feineren Körpergefühl und mehr hilft…

Ashtanga Yoga

Irgendwann lernte ich die körperliche Praxis des Ashtanga Yoga kennen (über die acht Glieder des Yoga hatte ich zuvor gelernt). Aber als ich mit ein paar abenteuerlustigen Menschen und Pferden im mexikanischen Dschungel lebte, sagte mir eine Freundin immer wieder, ich solle „Ashtanga Yoga“ machen.
Sie druckte ein paar Papiere mit einer Reihe von Bewegungen aus und gab sie mir.
Einige Sonnengrüße, stehende Haltungen und sitzende.
Ich fing an, den Anweisungen auf den Blättern zu folgen.
Ich achtete bei jeder Bewegung auf das genaue Ein- und Ausatmen, ließ meinen Blick dort ruhen, wo die Anweisungen es mir sagten, und BÄM, ich war wieder in meiner Rishikesh-Erfahrung.
Ich fühlte mich so konzentriert, stärker in meinem Körper, WACH. Ich war Feuer und Flamme.
Von diesem Zeitpunkt an praktizierte ich etwa 4 Jahre lang Ashtanga Yoga (das mit der Reihe von Haltungen, wie man es aus Mysore, Indien, kennt).

Meine Yoga Erfahrung mit gestörtem Essverhalten und Heilung

Wenn du mir schon seit einiger Zeit folgst, weißt du vielleicht, dass ich viele Jahre lang unter emotionalem Essen, übermäßigem Essen, Binge-Eating und dem „nicht genug Essen“, also gewissermaßen einer Essstörung, gelitten habe.
Diese Art von Kampf dauerte ungefähr 9 Jahre und ich habe in dieser Zeit zu verschiedenen Zeitpunkten ungefähr 20 Kilo auf und ab gewogen.
Als ich auf die Praxis des Ashtanga Yoga stieß, wurde ich sehr stark mit meinem angespannten Verhältnis zu Essen und meinem Körperbild konfrontiert.
Es war, als ob eine Lupe darauf gehalten wurde.
Ich verglich meinen Körper, mein Essverhalten und die Dinge, die ich mit meinem Körper machen oder nicht machen konnte, ständig mit denen der anderen Praktizierenden.

Während die Yoga-Praxis viel Wert auf „die innere Erfahrung“ legt, gibt es hier in unserer westlichen Welt immer noch einen nicht zu leugnenden Fokus auf die äußeren Formen.
Meiner Meinung nach bringt Yoga Asana diese tiefe Krankheit der Körperdysmorphie zum Vorschein, die sich durch große Teile unserer Gesellschaft zieht.
Sich dessen bewusst zu werden, ist also sehr wichtig, damit sich unsere Yoga-Praxis vertiefen kann.

Yoga mit Neugier praktizieren

Yoga im Wohnzimmer

Auf unseren Körper hören, in unsere innere Welt lauschen.
Mit Offenheit, Neugier und ja – so abgedroschen es klingen mag – mit Liebe.
Das hat in meiner Yoga-Reise irgendwann gefehlt.
Ganz am Anfang war es Aufregung. Unschuldige Freude. Wie in einer neuen Beziehung.
Dann stellte sich ein Gefühl der Verbissenheit ein.
Was dann benötigt war, war die liebevolle Neugier.
Die Bereitschaft, weich zu werden.
Hingeben statt resignieren. Loslassen statt loswerden zu wollen. Es gibt so viel, was ich ständig lerne.

Wie ich anfing, Yoga zu unterrichten

Irgendwann auf meiner Yoga-Reise wurde ich gebeten, einen Yoga-Kurs für einen meiner früheren Partner als Lehrer zu übernehmen.
Also unterrichtete ich meine ersten Yoga-Kurse in Tulum, Mexiko.
Als ich 2016 nach Deutschland zurückkehrte, luden mich meine Lehrer ein, an ihrer Yogalehrerausbildung teilzunehmen.
Ich sagte ja.
Mehr, weil ich nicht wusste, was ich sonst mit mir anfangen sollte, als aus irgendeinem anderen Grund.
Aber ja, ich dachte, „das ist eine gute Möglichkeit, die Praxis zu vertiefen“.
Am Ende machte ich eine 2-jährige (500 Stunden) Ausbildung, begann während dieser Zeit zu unterrichten und fand wirklich Freude daran, das weiterzugeben, was ich durch Yoga Asana gelernt hatte.

Yoga unterstützt mich weiterhin, führt mich, stärkt mich, macht mich weicher und hilft mir, die Welt aus einem anderen Zustand (oder: aus mehreren Perspektiven) zu sehen.

Eine der „Stolperfallen“ im Yoga

Eine der Stolperfallen, die ich bei vielen Menschen sehe, die Yoga praktizieren, ist der Wunsch, in Frieden zu sein. Frieden wollen ist ja super.
Nur ist da irgendwie diese wilde Anhaftung, „der perfekt zentrierte Samadhi Yogi“ sein zu wollen.
Das lässt wenig Raum für Lebendigkeit und Leben (-sfreude).

Erleuchtung ist kein Ziel. Es ist eine Art zu leben.

Balance ist nicht grimmige Entschlossenheit und unterdrückte  Emotionen, um inneren Frieden vorzutäuschen.
Gleichgewicht ist dynamisch. Es bedeutet, zu fließen und mit dem zu SEIN, was ist.
Offen, freundlich und in liebevoller, urteilsfreier Präsenz mit dem, was ist.
Nicht mit verschlossenem Herzen.
Ich habe viele „Yoga-Menschen“ gesehen, die eine sehr steife Körperhaltung und energetische Präsenz haben.
Ein sehr unterdrücktes Gefühl geht von ihnen aus.
Ein Gefühl, dass sie die Natur ihrer Emotionalität und damit ihrer Menschlichkeit leugnen.

Tantra und Integration des inneren Kindes (auch bekannt als das Unbewusste und Unterbewusste)

Und hier stieß ich auf meiner Reise auf Tantra und die Arbeit zur Einbeziehung des inneren Kindes. Wie ich erfuhr, entsprang Yoga eigentlich dem Tantra.
Dafür schätze ich die tantrische Philosophie so sehr – zumindest die mir bekannte, der nicht-dualistische Weg – weil sie uns einlädt, die menschlichen Erfahrungen mit all ihren Schwierigkeiten und Schönheiten als Wunder der Schöpfung zu erkennen.
Die Praxis und Sichtweise von Tantra schlägt vor, die Vielschichtigkeit des Lebens und seine Tiefe zu erlauben.
Sie uns bis ins Innerste durchdringen zu lassen, damit wir unseren Kern spüren und das Leben von diesem Ort (in uns) aus erfahren können.
Ein Ort der totalen Hingabe an das, was ist.
Das bedeutet nicht, dass schlimme Dinge dadurch gerechtfertigt werden.
Es bedeutet für mich vielmehr, dass wir das Leben als eine Reise sehen.
Als Einladung, uns selbst als diese göttliche Intelligenz zu erforschen, die ihre menschliche Erfahrung macht.
Diese Denkweise wende ich heute auch auf meine Yogapraxis an – früher war ich meist grob, verbittert und frustriert, weil ich „noch nicht da war“.
Jetzt sehe ich es mehr so, dass ich dort wo ich bin, tiefere Schichten der Liebe lernen und erfahren kann.
Diese Perspektive zu verkörpern ist die Schwelle, auf der ich derzeit tanze.